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Kindliches Übergewicht

Datum: 27.05.2018
Fast jedes fünfte Kind ist zu dick. Ursachen sind vor allem falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. 40 Prozent der übergewichtigen Kinder und etwa 80 Prozent der übergewichtigen Jugendlichen werden später dicke Erwachsene. Kinder leiden aber zunächst weniger körperlich unter ihren überzähligen Pfunden als psychisch. Allzu oft müssen sie den Spott ihrer Klassenkameraden ertragen, erleben soziale Ausgrenzung, entwickeln Minderwertigkeitsgefühle und ziehen sich daher immer mehr zurück.

Viele Kinder kompensieren ihren Frust mit Essen und begeben sich in einen Teufelskreis:
Das Kind nimmt immer mehr zu, fühlt sich immer schlechter und isst daraufhin mehr. Oft ersetzen Computer und Fernseher die fehlenden Freunde. Sport macht ohnehin oft keinen Spaß mehr, denn Bewegung ist mühsam. Dicke Kinder meiden folglich körperliche Aktivitäten und entziehen sich damit der Möglichkeit, aktiv gegen ihr Übergewicht vorzugehen. Dabei ist gerade Bewegung das beste Mittel, um Übergewicht abzubauen. Um wieder Gefallen daran zu finden, braucht das Kind die Unterstützung der Familie. Eine gemeinsame Fahrradtour am Wochenende, Spazieren gehen, Fußball spielen und Toben im vertrauten Kreis können dabei helfen. Schwimmen ist eine Sportart, die dicken Kindern meist Spaß macht, denn im Wasser fühlen sie sich leicht und werden getragen. Oft scheuen sie sich aber gerade wegen der Körperfülle in öffentliche Bäder zu gehen. Die Unterstützung und der Beistand von Eltern und Familie kann hier helfen. Auch im Alltag sollten die Kinder sich viel bewegen:
Treppen laufen statt den Aufzug zu nehmen, zur Schule gehen oder mit dem Fahrrad fahren.

Übergewicht ist ein Bilanzproblem
Wenn man über einen längeren Zeitraum hinweg mehr Energie aufnimmt als der Körper benötigt, wird die überschüssige Nahrungsenergie in körpereigenes Fett umgewandelt und im Unterhautfettgewebe gespeichert. Menschen haben - selbst bei gleicher Größe, gleichem Körpergewicht und gleicher Aktivität - einen unterschiedlichen Energieumsatz. Ob dieser hoch oder niedrig ist, hängt u.a. von genetischen Faktoren ab. Deshalb spricht man von einer Veranlagung, dick oder dünn zu sein. Übergewicht ist also in diesem Sinne vererbbar, dennoch ist es kein unvermeidliches Schicksal. Auch wenn die Veranlagung vererbt wird, kann man etwas gegen Übergewicht tun.

Der Körper Heranwachsender befindet sich in der Entwicklungsphase und hat somit noch nicht seine volle Stabilität erreicht. Ein deutliches Übergewicht stellt deshalb eine gewaltige zusätzliche Belastung für den Halte- und Bewegungsapparat dar. Durch die ständige Überlastung sind häufig schon in jungen Jahren Schäden an Gelenken, Wirbelsäule oder Sehnen festzustellen. Auch die Füße können Schaden nehmen. Deshalb sollten Kinder, die bereits übergewichtig sind, einem Orthopäden vorgestellt werden. Einlagen können möglicherweise Fußverformungen vorbeugen.
Bringt man zu viel Gewicht auf die Waage, dann ist auch oft die Schnelligkeit und Beweglichkeit bzw. die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt. So sind dicke Kinder einer erhöhten Verletzungs- und Unfallgefahr ausgesetzt.
Die Organe sind durch Übergewicht stärker belastet, so dass es schon früh zu Problemen mit Herz, Gefäßen und Leber kommen kann. Auch Stoffwechselstörungen, wie erhöhte Blutzucker-, Cholesterin- und Harnsäurewerte sowie Bluthochdruck, können Folgen von kindlichem Übergewicht sein.

Warum hilft nicht einfach weniger Essen?
Essen übergewichtige Kinder aber einfach nur weniger, stellt sich ihr Körper auf die geringere Energiezufuhr ein, indem er lernt, mit weniger auszukommen. Der Energieumsatz sinkt also.

Die Folge:
Das Kind isst weniger, nimmt aber trotzdem nicht oder kaum ab. Sobald es wieder mehr isst, wird es zunehmen und zwar unter Umständen mehr als vorher, weil sein Körper ja gelernt hat, mit weniger Energie auszukommen.
Aus diesem Grund hat es keinen Sinn, Kindern eine Schlankheitsdiät zu verordnen. Solche Diäten können sogar großen Schaden anrichten: Ess-Störungen (Bulimie und Magersucht) sind oft die Folgen. Auch stark übergewichtige Kinder können in das andere Extrem verfallen und später magersüchtig werden.

Gesunde Ernährung für die ganze Familie
Der erste Schritt aus dem Übergewicht ist eine generelle Umstellung der Kost. Sinnvoll ist es, sich von einem Ernährungsberater dabei helfen zu lassen.
Oberste Faustregel bei der Kostumstellung ist: wenig Fett, viel Kohlehydrate, viel frisches Obst und Gemüse. Wichtig ist, dass sich die ganze Familie auf die gesunde Ernährung einstellt, sonst ist die Umstellung kaum durchführbar. Wird lediglich die Kost des übergewichtigen Kindes umgestellt, führt das bei dem betroffenem Kind zu einem Gefühl des ausgegrenzt Werdens. Neuer Frust entsteht. Zudem tut eine fettarme Kost allen Familienmitgliedern gut.
Wichtig ist aber auch, dass die Kinder durch die Umstellung nicht die Lust am Essen verlieren. Auch gesundes Essen kann Schmecken und Lust machen. Die Kinder sollten sich auf die Mahlzeiten freuen. Daher ist auch von großen Vorteil, wenn die Mahlzeiten gemeinsam im Kreise der Familie eingenommen werden. Durch Gespräche bei Tisch wird oft langsamer gegessen. Das hat den Vorteil, dass nicht so oft „über den Hunger“ hinaus gegessen wird. Auch werden die Mahlzeit deutlich bewusster aufgenommen, als wenn sie nur so neben bei vor dem Fernseher gegessen werden.
Kinder müssen zudem die Freiheit haben, selbst darüber zu entscheiden, wie viel sie essen möchten und wann sie satt sind. Gezwungenes „Teller- leer- essen“ ist ebenso falsch wie das Entsagen einer zweiten Portion. Auch der Nachtisch sollte kein Tabu darstellen. Es gibt viele Möglichkeiten, einen leckeren und leichten Nachtisch zu zaubern. Wichtig ist, dass die Kinder lernen, selbst einzuschätzen, wann ihr Hungergefühl gesättigt ist. Übergewichtige Kinder erkennen dieses natürliche Körpergefühl nicht und müssen es sich langsam wieder aneignen. Das aber geht nur mit Geduld und frei von jedem Druck.

Keine Verbote
Strickte Verbote führen bei Kindern häufig zu gesteigertem Verlangen. Nichts ist so reizvoll, wie etwas Verbotenes. Deshalb sollten auch übergewichtige Kinder Süßigkeiten in Maßen zu sich nehmen dürfen. Besprechen Sie mit Ihren Kinder gezielt, wie viel Süßes es sein darf. Als Eltern sind Sie natürlich in der Lage zu steuern, was dies für Nascherein sind. Verzichten Sie auf fettreiche Sachen wie Schokolade und Chips und kaufen Sie statt dessen Gummibärchen. Und vor allen kaufen Sie nicht zu viel. Was nicht im Haus ist, kann auch nicht gegessen werden. Und wenn der Sprössling mal Hunger auf etwas Süßes hat, aber außer Obst nichts da ist, wird alternativ dazu greifen.

Viel Geduld und wenig Erwartungen
Übergewicht ist stets mit einer langjährigen Vorgeschichte und falschen Essgewohnheiten verbunden. Es braucht daher gleichermaßen auch viel Zeit, eingefahrene Gepflogenheiten umzustellen. Daher ist gerade in Bezug auf übergewichtige Kinder viel Geduld gefragt. Auch die Eltern sollten sich selbst nicht unter Druck setzen. Dabei ist es wichtig, dicke Kinder nicht ständig auf ihr Gewicht anzusprechen. Abwertende Bemerkungen und permanente Ermahnungen tragen nicht dazu bei, dass das Kind weniger isst. Wenn ein Kind unter Druck gerät, wird es eher noch mehr essen wollen.
Hingegen muss das Kind auch schon bei seinen kleinen Erfolgen ermuntert und gelobt werden. Das Ziel ist es nicht, abzunehmen, sondern das Gewicht zu stabilisieren. Wenn das Kind anfängt langsamer zuzunehmen als vorher, ist das schon ein erster großer Erfolg. Sobald das Gewicht stabil ist, wird sich der Körper durch das Wachstum strecken, und das Kind wird langsam schlanker und sich schließlich wohler fühlen.
Zu hohe Erwartungen können alle Maßnahmen zunichte machen. Ein übergewichtiges Kind wird selten ein ausgesprochen schlankes Kind werden. Auch die Veranlagung zum Dickwerden wird wahrscheinlich bleiben. Sind die Ernährungs- und Freizeitgewohnheiten aber langfristig umgestellt, ist das Problem in den Griff zu kriegen, ohne auf Lebensqualität verzichten zu müssen.

Auch Kuren können helfen
Wenn das Kind sehr stark übergewichtig ist, kann oft eine spezielle Kur helfen. Moderne Kinderkuren sind heute auf die besonderen Bedürfnisse übergewichtiger Kinder eingestellt. Hier wird nicht nur die Kost umgestellt, sondern die Kinder erhalten auch psycho-soziale Betreuung und lernen, über ihre Probleme zu reden und mit ihnen umzugehen. Für viele Kinder ist es eine gute Erfahrung, mit anderen übergewichtigen Kindern zusammen zu sein, zu sehen, dass sie mit ihrem Problem nicht alleine sind und nicht alleine gelassen werden. Oft können sie hier auch erstmals unbefangen und ohne Scham Sport treiben und ein neues Körpergefühl entwickeln.
Dauerhaft hat die Kur nur Erfolg, wenn zu Hause das einmal Gelernte vertieft wird und die Kostumstellung beibehalten wird.